Inzwischen hat die EU mehr als 100 Regelungen erlassen, die unsere Digitalwirtschaft und Gesellschaft maßgeblich beeinflussen. Die Herausforderung liegt für die Unternehmen nicht nur in der Anzahl der Richtlinien und Verordnungen, sondern auch in deren Komplexität und ihrer Einmaligkeit.
Dabei ist das digitalpolitische Vorgehen Brüssels häufig fragmentiert, was ein gezieltes Monitoring neuer Anforderungsbereiche oder möglicher Einschränkungen der unternehmerischen Handlungsfähigkeit erschwert. Angesichts der Geschwindigkeit sowie des disruptiven Potenzials digitaler Technologien könnte der Modus Operandi „Abwarten“ dazu führen, dass jede Reaktion zu spät kommt.
Der kürzlich veröffentlichte Draghi-Report wird vielerorts als „Weckruf“ gesehen, da er sich nicht auf die Beschreibung vielfältiger Herausforderungen der nächsten Jahre beschränkt (z. B. Harmonisierung des digitalen Binnenmarktes), sondern vielmehr die Umsetzung zusätzlicher Gesetzesinitiativen einfordert (EU-Cloud & AI Development Act, European Data Union Strategy, Single EU-wide Cloud Policy, u.v.m.). Sie alle werden erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der Datenerhebung, -nutzung, -sicherung und -speicherung entlang der Wertschöpfungsketten haben. Im regulatorischen Umfeld der Digitalpolitik wird damit heute das Fundament gelegt und kein Unternehmen agiert bei der Umsetzung losgelöst von der aktuellen politischen Lage.
Die veröffentlichten Mission Letters sowie der Ressortzuschnitt der designierten EU-Kommissare und -Kommissarinnen deuten an, dass die künftige Kommission von der Leyen II – dem Draghi-Bericht folgend – keiner legislativen Ermüdung erliegen wird.
Stattdessen prognostizieren wir bei Johanssen + Kretschmer, dass die Schwerpunkte der EU auf der Verstetigung der bisherigen digitalpolitischen Agenda, der digitalen Industriepolitik (und deren Umsetzung) sowie der Verabschiedung einer Vielzahl neuer digitalpolitischer Maßnahmen liegen werden, wie die Einführung eines European Digital Rulebook. Dies ist Teil einer umfassenderen Hinwendung zur economic statecraft. Was von der Leyen I begonnen hat, wird nun im Spannungsverhältnis zu den USA und China fortgesetzt. Es wird zunehmend herausfordernd, regulatorische Risiken frühzeitig zu erkennen und passgenau zu adressieren.
Um diesen Anforderungen effektiv zu begegnen, braucht es eine strategische Verhältnis- und Standortbestimmung der Digitalwirtschaft, um Vertrauen bei Ihren Stakeholdern zu schaffen und damit Handlungsspielräume aktiv zu vergrößern.