Nach jahrelangen Diskussionen über verschärfte Regeln zur Kenntlichmachung der Einflüsse auf politische Entscheidungen wurden gerade in den letzten Monaten eine Vielzahl an legislativen Maßnahmen verabschiedet oder in den politischen Prozess auf Bundes- und Landesebene eingebracht. Unsere Berater Steffen Bludschun und Mauritius Dorn haben sich die derzeit diskutierten Regeln genauer angeschaut.
Zwei Ansätze sollen mehr Vertrauen in die Politik schaffen
Die Vorhaben wie ein gesetzliches Lobbyregister, verschärfte Abgeordnetenregeln und partei- und fraktionsspezifische Selbstverpflichtungen haben gemein, dass sie wieder das Vertrauen in die Politik stärken sollen. Dabei unterscheiden sie sich jedoch hinsichtlich der jeweils betroffenen Gruppen.
Zum einen geht es darum, die Transparenz in der Einflussnahme auf den politischen Prozess zu erhöhen – insbesondere hinsichtlich der Frage, wer auf die politischen Entscheidungen wie einwirken möchte. Allen Unkenrufen zum Trotz ist den meisten Politikern klar: Interessensvertretung ist ein legitimer und wertvoller Beitrag zum politischen Entscheidungsprozess, da über diesen Weg Fachwissen und Praxiskenntnisse eingebracht und mit neuen Fakten belegt werden können. Darum sind Anhörungen, Expertengutachten und Stellungnahmen auch explizit im Entstehungsprozess von Gesetzen vorgeschrieben.
Zum anderen soll eine klarere Trennung zwischen politischem Amt und Beratungsmandat eingeführt werden. Hierbei geht es darum, ob Abgeordnete auch zeitgleich gegen Bezahlung die Interessen z.B. von Mandanten durchsetzen dürfen. In der Vergangenheit waren es gerade immer diese Fälle, welche die Interessensvertretung in ein schlechtes Licht gerückt oder gar zu Skandalen beigetragen haben.
Lobbyregister, Abgeordnetengesetz und Selbstverpflichtungen
Mit der Verabschiedung des Lobbyregistergesetzes durch den Bundestag Ende März soll insbesondere die Transparenz in der Einflussnahme auf den politischen Prozess deutlich erhöht werden. Laut Gesetz müssen sich Interessensvertreterinnen und -vertreter ab 1. Januar 2022 in einem öffentlich einsehbaren Register eintragen. Voraussetzung ist die Kontaktaufnahme zum Zweck der Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse in Bundestag und der Bundesregierung (von der Ministeriumsleitung bis zur Unterabteilungsleiterebene). Bei der Registrierung müssen die Personen auch Angaben zur Identität ihrer Auftraggeber durch die Nennung von Namen, Anschrift und Organisationsbezeichnung machen. Dadurch wird eine strukturelle Transparenz in der Interessenvertretung geschaffen. Dritte können dann nachvollziehen, wer in welchem Auftrag und mit welchem Hintergrund Interessen vertritt. Kontexte werden deutlich, finanzielle Aufwendungen nachvollziehbar. Ausdrücklich nicht ins Gesetz gefunden haben es hingegen Vorschläge, die der prozessualen Transparenz dienen. Mit diesen meist als legislativer Footprint bezeichneten Ideen wird offengelegt, wer wann wie oft mit wem im Rahmen eines Gesetzesprozesses gesprochen hat.
Interessenvertretung ist ein Vorgang, der Vertrauen, Vertraulichkeit, Wahrhaftigkeit und Rechtschaffenheit erfordert. Darum gibt es seit 15 Jahren einen Kodex und eine freiwillige Selbstkontrolle der Lobbybranche. Das nun beschlossene Gesetz hebelt diese Selbstkontrolle aus und schafft einen staatlichen Kodex, den die Bundestagsverwaltung erarbeiten und kontrollieren wird.
Darüber hinaus wurde im April der Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Abgeordnetengesetzes von den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE in den Bundestag eingebracht. Laut Entwurf sollen die Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestags erheblich verschärft werden. Erstmals wird die Ausübung von entgeltlichen Beratungstätigkeiten, „die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung stehen“, verboten. Ebenso wird die Schwelle zur Anzeigepflicht von Nebeneinkünften von derzeit 10.000 Euro im Jahr auf 3.000 Euro gesenkt. Auch Einkünfte aus Unternehmensbeteiligungen sollen meldepflichtig werden. Zusätzlich müssen Abgeordnete, deren Beruf sie zu einer Schweigepflicht über ihre Auftraggeber verpflichtet, zumindest die Branche der Auftraggeber angeben.
Als zusätzliche Maßnahme werden derzeit außerdem Selbstverpflichtungen diskutiert, welche fraktions- oder parteispezifische Neuregelungen zum Umgang mit Interessenvertretungen sowie Pflichten zur Veröffentlichung von Nebeneinkünften beinhalten. Insbesondere auf Landesebene wurde in den vergangenen Monaten über die Einführung neuer Transparenzregeln diskutiert. Doch können die neuen Maßnahmen in Kombination mit bisherigen Regelungen dazu beitragen, die Interessenvertretung transparent zu gestalten und eine Trennung von politischem Amt und Beratungsmandat effektiv durchzuführen?
Eine (hoffentlich) klare Abgrenzung von Amt und Mandat
Mit der geplanten Änderung des Abgeordnetengesetzes wird die Verbindung von politischem Amt und Beratungsmandat vorerst gestoppt. Bislang fallen Beratungstätigkeiten in mittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung aber noch nicht in den Anwendungsbereich. Dabei könnte ein vollständiges Verbot der Ausübung von Beratungstätigkeiten womöglich mehr Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen. Die fraktions- und parteispezifischen Verhaltenskodizes werden hier mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal vereinzelt die Regeln nachschärfen und den Umgang mit Interessensvertretungen regeln. Bestehende Regelungen zur Vermeidung einer Vermischung von Amt und Mandat wie z.B. das Karenzzeit-Gesetz werden von dem neuen Gesetz im Übrigen nicht tangiert und gelten weiterhin.
Ein Blick in die Zukunft: Es gibt noch viele Grenzfälle
Die zum Teil beschlossenen oder in Planung befindlichen Regelungen könnten bald nochmal auf Druck von Nichtregierungsorganisationen wie LobbyControl ausgeweitet werden. Insbesondere Institutionen, die sehr eng mit der parlamentarischen Entscheidungsfindung verwoben sind, standen zuletzt häufig in der Kritik. So wurde beispielsweise die Deutsche Energie-Agentur (dena) für die finanzielle Beteiligung von Unternehmen an einer Studie zur Klimaneutralität scharf kritisiert und mangelnde Transparenz beklagt. Auch der CDU-Wirtschaftsrat, in dem viele Wirtschaftsvertreter organisiert sind und dessen Vorsitz traditionell mit dem CDU-Parteivorstand verbunden ist, wurde zu mehr Transparenz und einer strikteren Trennung von Partei- und Interessenvertretungsarbeit aufgefordert.
Für Unternehmen und Verbände wird diese Entwicklung künftig eine besondere Herausforderung darstellen. Eine Vielzahl von gesetzlichen und administrativen Regelungen auf Bundesebene kombiniert sich mit unterschiedlichen Selbstregulierungen und ethischen Regeln der Branche. Dazu wird eine wachsende Zahl sehr unterschiedlicher föderaler Regeln kommen. Wer sich darin fehlerfrei bewegen will, wird sich über unternehmensspezifische Compliance-Regeln Gedanken machen müssen, die möglichst klare Handlungsrichtlinien für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darstellen.